Kritik zu "La Cenenrentola" an der Oper Frankfurt
La Cenerentola
Gioachino Rossini
Uraufführung: Rom,Januar 1817
Besuchte Aufführung: Oper Frankfurt, 29.09.2022
Ein junges Ensemble brilliert in einer atmosphärischen Inszenierung.
Emanzipation und Spielfreude
Mit gut einer Viertelstunde Verspätung startet die Vorstellung von La Cenerentola am 29. September und Gastdirigent Patrick Hahn scheint schon in der Ouvertüre diese Verspätung aufholen zu wollen. Er gibt Vollgas und nicht nur zu Beginn der Oper. Aber es ist keine Zur-Schau-Stellung von Geschwindigkeit, die auf Dauer langweilt, sondern das Frankfurter Opern und Museumsorchester demonstriert seine Klasse als aufmerksamer Begleiter und quirliger Motor gleichermaßen.
Der Grund für die Verspätung ist erfreulich: das Opernhaus hat bei einer Kritikerumfrage für die vergangene Saison gleich mehrfach Preise abgeräumt, die vor dem Vorhang unteranderem Intendant Bernd Loebe übergeben werden. Als ob das Haus dann diese Auszeichnungen nochmal rechtfertigen möchte, setzt es zu einer unterhaltsamen und hörenswerten Jubiläumsvorstellung an. Eine 40. Aufführung von Rossinis Meisterwerk bekommt man nicht immer auf diesem Niveau geboten. Der Großteil des Ruhmes gebührt dabei Bianca Andrew, die in der Hauptrolle ihr Herz auf der Zunge bzw. in der Kehle trägt. In ihrem Gesang vereinen sich technische Perfektion und emotionale Wärme, die sie in jede Tonlage und jede Silbe legen kann. Kombiniert mit einer erfrischenden Darstellung entsteht so ein Gesamteindruck, der keine Vergleiche mit früheren oder derzeitigen Ikonen in dieser Rolle scheuen muss. Allein der erste Blick, mit dem sie ihren zukünftigen Prinzen betrachtet, ist ein Besuch der Vorstellung wert und wird gerechtfertigt durch die Leistung von Francisco Brito, der einen royalen Don Ramiro mit kräftigen Höhenflügen singt. Die erste Begegnung dieses Traumpaares wird von den Künstler*innen mit hingebungsvollen Koloraturen zelebriert.
Frau Andrews Darbietung kommt auch der Inszenierung von Keith Warner zugute, denn hier geht es um die Emanzipation einer jungen Frau, die aus einer Opferrolle heraus erst ein Marionettentheater zum Leben erweckt, um sich dann im Erleben der verschiedenen Charaktere weiterzuentwickeln. Caterina Panti Liberovici sorgt in der Wiedereinstudierung dafür, dass die szenische Wiedergabe erfrischend über die Bühne geht. Mit den beweglichen Kulissen von Jason Southgate und wunderbaren Puppentheater gibt es pralles Theater zu erleben und man darf sich wünschen, dass diese Inszenierung, die durch Simon Mills Beleuchtung eine abwechslungsreiche Atmosphäre erhält, ruhig noch ein bisschen länger im Programm bleiben wird.
Denn so wichtig Emanzipation und Feminismus auch im Jahr 2022 noch ist, umso wichtiger und richtiger ist es, dass hier kein moralischer Zeigefinger mahnend erhoben wird. Satt dessen darf hier herzlich gelacht werden, was in diesen krisengebeutelten Zeiten einfach nur guttut. Der Humor der Inszenierung samt einer kleinen Desillusionierung im zweiten Aufzug wird durch das spielfreudige Ensemble neben Bianca Andrew mit Elan auf die Bühne gebracht. Mikołaj Trąbka nutzt seine Chance vom ersten Ton an, um seine Talente als Belcanto versiertes Bühnentier anzupreisen. Dieser Dandini ist ein unglaubliches Schlitzohr. Bei Rossini gibt es in dieser Aschenputtel-Version keine böse Stiefmutter, sondern einen arroganten Stiefvater namens Don Magnifico und der vokal agile Božidar Smiljanić spielt dessen toxische Männlichkeit mit buffonesker Freude aus. Die beiden giftigen Stiefschwestern, Bianca Tognocchi und Karolina Makuła, bringen das Kunststück fertig, hässliche Charakterzüge in tadellosen, schönen Gesang zu verpacken. Pilgoo Kang ist als Berater Alidoro ein engagierter Lenker, dem es im Vergleich mit seinen Kolleg*innen lediglich ein bisschen an Resonanz mangelt.
Auch wenn der Publikumsapplaus angesichts dieser Qualität ebenfalls ein bisschen kräftiger und länger hätte ausfallen dürfen, ist die gute Stimmung im Frankfurter Opernhaus nicht zu übersehen und nicht zu überhören.