Erbarmungslos kreisende Mauern

Die Regisseurin Cecilia Ligorio ist an der Oper Köln mit ihrer schwungvollen Inszenierung von La Cenerentola bestens in Erinnerung geblieben. Nun kehrt sie mit dem bewährten Team Gregorio Zurla (Bühnenbild), Vera Pierantoni Giua (Kostüme), Daisy Ransom Philipps (Choreographie) und Andreas Grüter (Licht) mit Mozarts Don Giovanni in die Ausweichspielstätte nach Köln-Deutz zurück. Schon in der Ouvertüre, in der ein zehnköpfiges Tanzensemble das ausschweifende Leben eines animalischen Verführers darstellt, ist die vertraute Handschrift des Teams erkennbar. Die sich wunderbar ungekünstelt bewegenden Tänzer:innen treten im Laufe der Aufführung immer wieder mit dem völlig ungehemmten Don Giovanni in Aktion.

Seth Carico jagt in einem irren Tempo über die Bühne, verleiht dieser vielschichtigen Figur so viel Charisma, dass die Augen gerne auf ihm ruhen – und ist gleichzeitig so empathielos und aggressiv, dass er abstoßend wirkt. Dass der Bassbariton neben dieser schauspielerischen Leistung auch stimmlich voll überzeugt, ist faszinierend. Neben ihm ist Adrian Sâmpetrean als Diener Leporello der sängerische Höhepunkt der Aufführung. Der rumänische Sänger, der bereits auf eine fast 20-jährige Karriere zurückblicken kann, tritt mit der Körpersprache eines Mittzwanzigers auf und spielt ebenso lustvoll wie intelligent mit der italienischen Sprache. Zusammen bilden die beiden ein starkes Duo auf der Bühne. Besonders hervorzuheben sind ihre Rezitative, die von Luca Marcossi am Pianoforte begleitet werden.

Die Ambivalenz Leporellos gegenüber seinem Herrn Don Giovanni ist der Motor einer ausgeklügelten Personenführung, die alle einbezieht – auch den von Rustam Samedov einstudierten Chor, der in dieser Oper eigentlich sehr wenig zu singen hat. Es ist eine Stärke der Regie, den handelnden Personen auf der Bühne ein Gesicht zu geben, das sich mit der Musik verbinden kann.

Dmitry Ivanchey darf einen starken und zugleich sensiblen Don Ottavio verkörpern, der seine Partnerin Donna Anna schützend in die Arme nimmt, während er sein zärtliches Dalla sua pace singt. Die aktuelle Situation Donna Annas – sie ist gerade einer Vergewaltigung entkommen und hat zugleich ihren Vater durch einen Mord verloren – spiegelt sich in Emily Hindrichs’ emotionsgeladenem Sopran wider. Die Regie gesteht ihr sogar einen intensiven Moment zu, in dem sie sich von ihrem Vater verabschieden darf, der die Rettung seiner Tochter mit dem Leben bezahlt hat. Christoph Seidl verleiht der kurzen, aber entscheidenden Partie des Komturs stimmlich zwei Gesichter, wenn er als geisterhaftes Wesen zurückkehrt und Don Giovannis Tod einleitet.

Für das Finale des zweiten Aktes wird die Drehbühne, die zuvor – vor allem im ersten Akt – mit ihren erbarmungslos kreisenden Mauern die Frauen in Don Giovannis Arme getrieben hat, konzentriert angehalten. Die Inszenierung nutzt die Bühne in fast cineskopischer Manier – wie ein Panorama, das die Blicke des Publikums von rechts nach links wandern lässt. Schnelle Lichtwechsel erzeugen immer wieder neue Situationen und Lebenswirklichkeiten. Diesem Prinzip folgt auch der sehr engagiert dirigierende Tomáš Netopil, der das genüsslich aufspielende Gürzenich-Orchester Köln zu einer soghaften Interpretation animiert, die sich vor allem durch intensive Stimmungen und Farben auszeichnet. Die dynamische Bandbreite reicht dabei von feinsten kammermusikalischen Momenten bis zu machtvollen, düsteren Klangballungen. Besonders die dramatischen Wendepunkte – etwa in der Konfrontation mit dem Komtur – werden klanglich eindrucksvoll ausgestaltet und treiben die Handlung spürbar voran. Die Flöten verleihen der Musik immer wieder eine schwebende Leichtigkeit, während die warm und gleichzeitig präzise geführten Streicher das emotionale Fundament der Aufführung bilden. Diese Farbvielfalt findet sich auch in den sehr schönen Kostümen wieder, die von sinnlichem Rot über edles Blau bis hin zu schlichtem Weiß für das Bauernpaar Zerlina und Masetto reichen.

Letztere, eher kleine Partie wird von Wolfgang Stefan Schwaiger gesungen, der mit derselben Hingabe zu Werke geht, mit der er in der vergangenen Spielzeit seinen großartigen Dandini in der oben erwähnten Cenerentola verkörpert hat. Maria Koroleva ist mit ihrem samtweichen, lyrischen Sopran eine passende Besetzung für die Zerlina. Judith van Wanroij zeigt eine Donna Elvira voller Ecken und Kanten, die in ihrer Arie Mi tradì beginnt, ihre Gefühle für Don Giovanni zu reflektieren.

Die vierte Aufführung dieses unbedingt sehenswerten Don Giovanni wird vom Publikum durchaus positiv aufgenommen – hätte angesichts der starken Leistungen aber auch noch mehr Zustimmung verdient.

Mercilessly Circling Walls

Director Cecilia Ligorio left a lasting impression at Oper Köln with her vibrant production of La Cenerentola. Now she returns to the temporary venue in Cologne-Deutz with Mozart’s Don Giovanni, once again teaming up with her trusted collaborators: Gregorio Zurla (set design), Vera Pierantoni Giua (costumes), Daisy Ransom Phillips (choreography), and Andreas Grüter (lighting).

Even during the overture—where a ten-member dance ensemble portrays the hedonistic life of an animalistic seducer—the team’s signature style becomes instantly recognizable. The dancers, moving with wonderfully unforced grace, repeatedly interact with the utterly uninhibited Don Giovanni throughout the performance.

Seth Carico storms across the stage at a manic pace, giving this complex character just enough charisma to draw the eye—while remaining so callous and aggressive that he becomes utterly repulsive. That the bass-baritone not only delivers this performance theatrically, but also vocally, is fascinating.

Alongside him, Adrian Sâmpetrean shines as his servant Leporello, becoming the vocal highlight of the evening. The Romanian singer, with nearly two decades of experience, performs with the physicality of someone in their mid-twenties, playing with the Italian language as playfully as he is intelligently. Together, the two form a powerful duo. Their recitatives, accompanied at the pianoforte by Luca Marcossi, deserve special mention.

Leporello’s ambivalence toward his master Don Giovanni is the driving force behind the production’s intricate character direction, which includes everyone on stage—most notably the chorus prepared by Rustam Samedov, which, though given little to sing in this opera, becomes fully integrated into the dramatic action. A major strength of the direction lies in giving each figure on stage a unique presence that connects organically with the music.

Dmitry Ivanchey portrays a strong yet sensitive Don Ottavio, tenderly embracing his partner Donna Anna while singing the delicate Dalla sua pace. Donna Anna’s current situation—having just escaped an attempted rape and simultaneously lost her father to murder—is reflected in the emotionally charged soprano of Emily Hindrichs. The production allows her a moving moment of farewell to her father, who gave his life to save her. Christoph Seidl gives the short but crucial role of the Commendatore two distinct vocal colors, returning as a ghostly figure to usher in Don Giovanni’s death.

For the finale of the second act, the revolving stage—which previously, especially in the first act, drove women into Don Giovanni’s arms with its mercilessly circling walls—is deliberately brought to a halt. The staging now employs the stage in an almost cinescopic manner: like a wide panorama, guiding the audience’s gaze from right to left and back again. Rapid shifts in lighting continuously create new situations and lived realities.

This principle is mirrored by conductor Tomáš Netopil, who, with great energy, draws the Gürzenich Orchestra Cologne into a gripping interpretation marked by vibrant atmospheres and rich tonal colors. The dynamic range spans from the most delicate, chamber-like passages to dark, powerful surges of sound. The dramatic turning points—such as the confrontation with the Commendatore—are rendered with impressive sonic depth and push the narrative forward. The flutes lend an airy lightness to the score, while the warm yet precise strings provide the emotional foundation of the evening.

This variety of color is echoed in the beautifully crafted costumes, ranging from sensual reds and noble blues to the plain whites worn by the peasant couple Zerlina and Masetto.

The latter, a smaller role, is performed by Wolfgang Stefan Schwaiger with the same dedication he brought to his remarkable Dandini in the aforementioned Cenerentola last season. Maria Koroleva, with her velvety, lyrical soprano, is a fitting Zerlina. Judith van Wanroij delivers a Donna Elvira full of sharp edges, beginning to reflect on her feelings for Don Giovanni in her aria Mi tradì.

The fourth performance of this highly recommended Don Giovanni was met with a generally positive response from the audience—though, considering the quality of the production, it truly deserved even greater acclaim.

English translation generated with the assistance of ChatGPT-4o.