Kritik zu "die Zauberflöte" an der Oper Dortmund
Die Zauberflöte
W.A.Mozart
Uraufführung: Wien1791
Besucht am 11.11.2022
Galavorstellung: Mozarts „Zauberflöte“, deren Inszenierung familientauglich ist, mit zwei Luxusbesetzungen
Galavorstellung mit zwei Sängern auf Augenhöhe
Mozarts Die Zauberflöte gehört definitiv zu den Opern, die so leicht wirken, aber auch so schwer umzusetzen sind. Viele Melodien sind so bekannt, dass sie gerne mitgesummt werden. Die Handlung ist vielen entweder zu seicht oder die Inszenierung macht daraus eine psychologische Analyse, die ohne Programmheft nicht zu verstehen ist. Das Libretto entspringt einer Zeit, wo man sich über politisch-korrekte Formulierungen und Frauendiskriminierung noch keine Gedanken gemacht hat. Regisseur Nikolaus Habjan wählt eine Fassung, die problemlos für einen Familienbesuch zu empfehlen ist - mal davon abgesehen, dass der Schlange, die den Prinzen Tamino direkt nach der Ouvertüre in den Wald jagt, sehr spektakulär der Kopf abgeschlagen wird.
Seine Regiearbeit kann man durchaus konservativ zu bezeichnen, aber zusammen mit Bühnenbild und Videotechnik, für die Jakob Brossmann, Manfred Rainer und Hannah Rosa Oellinger verantwortlich sind sowie den Kostümen von Denise Heschl, wird daraus ein wunderbar anzusehendes Musiktheater, das einen guten Mittelweg zwischen Klassik und Moderne beschreitet. Da gibt es eben einen wirklich liebevoll gestalteten Wald, der mit der Lichttechnik von Florian Franzen so richtig schön düster wird oder eben auch hell ausgeleuchtete Hallen des Sarastros, dessen Anhänger aber nicht unbedingt erleuchtet wirken. Die Bühnentechnik der Oper Dortmund wird dabei richtig schön auf trapp gehalten. Das dramaturgische Statement setzt Habjan mit Hilfe seiner Passion. Der österreichische Regisseur ist Puppenbauer- und spieler und lässt die machthabende alte Generation, Die Königin der Nacht und Sarastro, durch zwei große Puppen verkörpern. Sie werden von Manuela Linshalm und Bruno Belil geführt. Diese beiden Puppen sind sehr einschüchternd, aber wirken gleichzeitig auch schon am Ende ihrer Kräfte wirken. Am Ende der Oper, so sei verraten, werden diese beiden Herrschenden und die Systeme, für die sie stehen, abgesetzt.
In der Vorstellung am 11. November 2022 ist das Opernhaus Dortmund proppenvoll. Das wird zum einen daran liegen, dass sich seit der Premiere im September herumgesprochen hat, dass die Inszenierung sehenswert ist. Aber an diesem Abend steht noch ein anderer Künstler im Mittelpunkt, für den diese Galavorstellung angesetzt wurde: Bariton Johannes Martin Kränzle kehrt mit dem Papageno an das Haus zurück, wo er vor 35 Jahren seine Karriere begonnen hat. Von Dortmund aus ging es dann auf noch berühmtere Bühnen. In den letzten Jahren hat er vor allem als Beckmesser und Alberich weltweit Maßstäbe gesetzt und sich vor allem aus einem gesundheitlichen Tief wieder herausgearbeitet. Wenn ein Künstler wie Kränzle den Publikumsliebling Papageno singt, dann entsteht daraus großes Kino. Seine Stimme hat die Leichtigkeit für Mozart nicht verloren – er singt übrigens auch einen sehr guten Don Alfonso in Mozarts Cosi fan tutte. Vor allem aber wirkt seine Rollengestaltung so unfassbar natürlich. Da scheint jedes Wort seines Textes von Kränzle selbst zu stammen und ist nicht ein auswendig gelernter Text.
Wie oft passiert es, dass der Tamino im Schatten des Papageno steht. An diesem Abend begegnen sich aber zwei Künstler auf Augenhöhe. Für den Tamino wurde Mirko Roschkowski verpflichtet, der immer wieder aufs Neue beweist, dass die Tenorpartien Mozarts ein starkes Auftreten brauchen und keineswegs so lahm sind wie sie oft geredet oder gar inszeniert werden. Roschkowski hat genau diese Präsenz, die es braucht, um neben einem Bühnentier wie Kränzle nicht unterzugehen. Gleichzeitig hat er aber auch diese wunderbaren lyrischen Fähigkeiten, damit die Zuhörer bei Dies Bildnis ist bezaubernd schön wieder an die Liebe auf den ersten Blick glauben können. Seine Stimme hat dazu durch Rollen wie Erik und Lohengrin noch an Attacke gewonnen. So ist dieser Tamino keinen Augenblick langweilig, sondern ein Mann, bei dem jedes Wort und jede Gefühlslage glaubhaft ist. Leider hat die Pamina in dieser Vorstellung keinen so guten Abend erwischt. Tanja Christine Kuhn ist in Sachen Textverständlichkeit und Koloraturen ebenfalls versiert, aber ihrer Stimme geht leider die lyrische Leichtigkeit total ab.
Der Rest der guten Besetzung wird angeführt von Fritz Steinbacher, der in der kleinen Rolle des Monostatos große Präsenz zeigt. Dennis Velev schiebt nicht nur den Rollstuhl, in dem die Sarastro-Puppe sitzt, sondern gibt ihr auch autoritäre vokale Züge, distanziert sich zugleich von der Figur mit versöhnlichem Legato. Gloria Rehm gelingt die vielschichtige Auftrittsarie Oh zittre nicht der Königin der Nacht sehr beachtlich, findet aber nicht so recht in ihre knallharte Rachearie im zweiten Akt hinein. Leider werden die drei Knaben, Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund, nicht namentlich genannt, sie hätten es verdient. Zusammen gehalten wird der Opernabend von Montori Kobayashi, der mit flüssigen Tempi die Handlung belebt. Die Dortmunder Philharmoniker brauchen ein paar Minuten, um sich in die präzise Mechanik in Mozarts Partitur einzuspielen. Dann aber kommt aus dem Graben ein warmer Klangteppich, der ein weiterer Höhepunkt des Abends ist. Von Publikum wird die Aufführung differenziert, aber sehr zufrieden mit Applaus belohnt und natürlich steht Johannes Martin Kränzle im Mittelpunkt, dem Intendant Heribert Germeshausen nach der Vorstellung öffentlich gratuliert.